Fogging
Mietminderung wegen Fogging?
Schwarzer Staub gibt Rätsel auf
12,8 Prozent aller Bundesdeutschen waren 2015 davon betroffen. Und nahezu jeder Fünfte, der am Rande der Armut leben muss. Mit sinkendem Einkommen steigt die Wahrscheinlichkeit, auf besonders günstige Wohnungen für die eigene Bleibe zurückgreifen zu müssen, die unter Sanierungsstau leiden. Oftmals sind damit aber auch gesundheitliche Risiken verbunden.
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Denn: Nach Defekten an festen Einrichtungsgegenständen stellen gesundheitsgefährdende Feuchtigkeit und Schimmelbefall den zweithäufigsten Grund für Mietmängel dar. Gegen ihn vorzugehen und eine Mietminderung zu erwirken ist oftmals alles andere als einfach. Vermieter verweigern sich vielfach eines Mietnachlasses mit der Begründung, der Mieter habe nicht ausreichend gelüftet.
Oftmals geht es dann vor Gericht mit der Frage, ob Schimmel als Grund für eine Mietminderung im jeweiligen Fall überhaupt und in welcher Höhe zulässig ist – Ausgang offen. Das Manko: Auch die Richter selbst sind sich nicht immer einig.
Das trifft im besonderen Fall auch auf das Phänomen der rätselhaften schwarzen Verfärbungen an Wänden und Decken auf, die unter dem Begriff „Fogging“ bekannt geworden sind. Was hat es damit auf sich und besteht überhaupt eine Chance, mit einer Klage auf Mietminderung wegen schwärzlichem Niederschlag in der Mietwohnung vor Gericht zu bestehen?
Das Grauen kommt binnen weniger Stunden oder Tage
Er kommt oftmals plötzlich und erschreckend flächendeckend: Schwärzlicher Belag an Wänden, Böden und Decken taucht vornehmlich in winterlichen Heizperioden auf und verwüstet binnen weniger Stunden ganze Wohnungen. Das als „Fogging-Effekt“ bezeichnete Phänomen hat sich in den zurückliegenden rund zwei Jahrzehnten zu einem Schrecken aller Mieter entwickelt, der auch vor der Einrichtung nicht Halt macht. Möbel, Laminatböden und Gardinen erscheinen unvermittelt mit einem rußähnlichen Schmierfilm überzogen.
Besonderes Ärgernis: Putzen und Reinigen bringt nicht viel, da der Belag von ölig-schmieriger Konsistenz ist und sich hartnäckig herkömmlichen Reinigungsmitteln widersetzt. In extremen Fällen hilft nur noch eine Kernsanierung der Wohneinheit.
Ausgasung von organischen Verbindungen als Verursacher?
Obwohl die Ursachen nicht restlos aufgeklärt sind, werden bei Renovierungen verwendete Stoffe und Chemikalien als Verursacher vermutet. Zur Hypothese maßgeblich beigetragen haben einige Auffälligkeiten, die vielen Fällen gemein sind.
Danach treten die schwärzlichen Verfärbungen
- erst seit Mitte der 90er Jahre auf
- nur in Heizperioden in Erscheinung
- meist in Wohnungen auf, die renoviert oder gerade erst errichtet und bezogen wurden
- überwiegend in Räumen auf, die mit Teppichböden und/oder Raufasertapeten belegt sind.
Demnach stehen hauptsächlich die Inhaltsstoffe der Raufasern und Teppichböden im Verdacht, die bei Erwärmung in die Umgebungsatmosphäre ausgasen. Vor allem schwerflüchtige organische Verbindungen (SVOC), die erst mit Einführung umweltfreundlicher Produkte verstärkt verwendet werden, stehen unter näherer Beobachtung. Dabei besteht das Hauptproblem darin, dass die Weichmacher noch nach Monaten ausdünsten.
Vor allem, wenn viel geheizt aber wenig gelüftet wird, haben die gasförmigen Chemikalien eine Chance, sich stark in der Zimmerluft zu konzentrieren – gerade dann, wenn die Wände noch zusätzlich stark abgedichtet und wärmegedämmt sind.
Die Gase verkleben dann mit dem Schwebestaub aus der Luft zu einer zähen Masse, die sich bevorzugt an kälteren Stellen wie auch an Orten absetzt, an denen die Luft zirkuliert. Das würde erklären, warum gerade Heizkörper oder elektrische Geräte am stärksten von den Ablagerungen betroffen sind. Laminatböden sind gleichsam häufig betroffen, da sie elektrostatisch aufgeladen sind.
Jüngsten Experteneinschätzungen zufolge dürfte es jedoch soweit nicht kommen, wenn die Bewohner regelmäßiger während der Heizperiode die Zimmer durchlüften würden. Die Annahme scheint für den Mieter hinderlich, für seine vom Fogging-Effekt betroffene Mietwohnung eine Mietminderung zu erwirken. Wie sieht die rechtliche Praxis aus?
Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) aus dem Jahr 2008
Obwohl zunehmend das Nutzerverhalten in den Fokus der Ermittlungen von Experten und Forschern gerät – so wurde etwa das verstärkte Fogging-Vorkommen in von Frauen bewohnten Wohnungen mit einem Zuviel an Haarsprays, Parfüm, Kosmetika, Duft-Öle und Räucherstäbchen in Verbindung gebracht – stehen Mieter nicht mit leeren Händen da.
Ein BGH-Urteil kam in einem Grundsatzurteil zum Ergebnis, dass Fogging als Mangel des Mietobjektes gilt und eine Beweislast dem Besitzer zuweist (Bundesgerichtshof, Urteil vom 28.05.2008, Az. VIII ZR 271/07). Die Beweisumkehrung obliegt dem Vermieter. Er muss begründet darlegen, dass er selbst nicht die Mängel verursacht hat. Tut er das nicht, gilt er nach dem Verursacherprinzip als verantwortlich. Das Urteil spricht in dem Fall dem Mieter das Recht zu, die Miete eigenmächtig zu kürzen.
Auch der Umstand, dass die Ablagerungen von Experten als wenig bis nicht gesundheitsschädlich eingestuft werden – im Gegensatz zu echtem Schimmel, der zu ernsthaften Erkrankungen der Atemwege führen kann -, tut der aus Mietersicht positiven Aussicht keinen Abbruch, dass eine Klage auf Mietminderung vor Gericht Stand halten kann. Denn eine Schwarzstaub-Attacke derartigen Ausmaßes stellt ein Mietärgernis dar, das den Mieter teuer zu stehen kommen kann – mit Kosten, die sich rasch im vierstelligen Euro-Bereich bewegen.
Die Praxis sieht jedoch oftmals anders aus. Obwohl Vermieter nach dem Urteil generell schlechtere Karten haben, weigern sich viele Eigentümer, eine Mietminderung hinzunehmen. So landen Streitigkeiten um Fogging-Phänomene immer wieder vor Gericht. Eine Weigerung kann etwa dann begründet sein, wenn der Vermieter nachweisen kann, dass der Mieter die Wohnung nicht vertragsgemäß genutzt hat – also etwa bei der Renovierung keine handelsüblichen Bodenbeläge oder gängige Farben zur Gestaltung der Mietwohnung verwendet hat.
Auch kann ein Mieter schlechtere Karten bei einem Rechtsstreit haben, wenn der Vermieter belegen kann, dass ihn der Mieter nicht umgehend über den Missstand informiert und ihn gebeten hat, sich ein eigenes Bild von dem Schaden zu machen. Mietern empfiehlt sich daher, alle notwendigen Schritte zu einer Anzeige unverzüglich zu unternehmen und dokumentieren. Auch sollte er dem Vermieter schriftlich eine Frist gesetzt haben, innerhalb der der Schaden behoben werden soll -am besten per Einschreiben mit Rückschein. Unterlässt der Mieter die Schritte, läuft er Gefahr, dass seine Klage auf Mietminderung beim Richter auf taube Ohren stößt.
Fazit: Stochern im Fogging-Nebel
Etwa jeder zehnte vermeintliche Schimmel-Befall entpuppt sich als Fogging-Phänomen. Nachdem sich Fogging in den letzten 20 Jahren vergleichsweise jedoch stärker als Schimmel in Mietwohnungen ausgebreitet hatte, nahm sich das Umweltbundesamt der Thematik an. Die Behörde konnte jedoch trotz aller Tests nicht zweifelsfrei klären, warum nur bestimmte Wohnungen oder Häuser von Schwarzstaub befallen werden und andere nicht. Jüngste Vermutungen gehen in Richtung falschem Nutzerverhalten wie etwa mangelnde Belüftung oder falsches Heizverhalten.
In jedem Fall steckt bei einer mietmindernden Geltendmachung der Teufel im Detail: Gelingt es dem Mieter zu belegen, dass die Ursache des Fogging-Effekts in einer Weichmacher-Emission aus den Renovierungsmaterialien stammt, die der Vermieter verwendet hat, ist der Mieter zu einer Mietminderung berechtigt. Kann der Vermieter wiederum belegen, dass die Weichmacher-Emission aus den Renovierungsmaterialien oder Einrichtungsgegenständen stammt, die der Mieter verwendet hat, besteht die Aussicht, dass ein Gericht dem Mieter das Recht zu einer Mietminderung abspricht.
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Bearbeitungsstand: 19.01.2017
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